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Arbeitsrecht Aktuell: Kopftuchverbot für eine Lehrerin als Benachteiligung der Religion

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Stellt ein Kopftuchverbot für eine Lehrerin eine Benachteiligung der Religion dar?

 

Anwälte für Arbeitsrecht haben immer wieder mit Fragen rund um mögliche Diskriminierungen von Arbeitnehmern zu tun, daher sind gerichtliche Entscheidungen in diesem Bereich von großem Interesse. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich nun mit der schwierigen Frage befassen ob ein „Kopftuchverbot“ eine Diskriminierung sein kann, die zur Zahlung einer Entschädigung führen kann (BAG Urteil vom 27.08.2020, Az.: 7 Sa 963/18).

Bei der Klägerin handelte es sich um eine Diplom-Informatikerin. Sie sieht sich als gläubige Muslima. Um ihre Glaubensüberzeugung auszudrücken, trägt sie ein Kopftuch.

Beim Bundesland Berlin bewarb sich die Klägerin im Rahmen eines Quereinstiegs mit berufsbegleitendem Referendariat für eine Beschäftigung als Lehrerin für Informatik und Mathematik in der Integrierten Gesamtschule, dem Gymnasium oder der Beruflichen Schule. Es kam auch zum Bewerbungsgespräch. Bei diesem Gespräch trug die Klägerin ein Kopftuch. Nach dem Gespräch sprach sie ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle auf die Rechtslage nach dem sog. „Berliner Neutralitätsgesetz“ an. Hierzu meinte die Klägerin, dass sie auch im Unterricht das Kopftuch nicht ablegen werde.

Die Bewerbung der Klägerin blieb erfolglos. Daraufhin nahm die Klägerin das Land Berlin auf Zahlung einer Entschädigung nach dem sog. „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ („AGG“) in Anspruch. Nach Ihrer Ansicht hatte das Land Berlin sie entgegen den Vorgaben des AGG wegen Ihrer Religion benachteiligt. Dies könne das Land auch nicht mit einer Berufung auf das Neutralitätsgesetz rechtfertigen. Das dort geregelte Verbot, ein Kopftuch zu tragen, verstoße gegen Artikel 4 des Grundgesetzes (Glaubensfreiheit).

Das Land Berlin hat hiergegen eingewendet, dass das Neutralitätsgesetz sehr wohl verfassungskonform und auch unionsrechtskonform sei. Die in dem Gesetz geregelte Verpflichtung der Lehrkräfte, keine auffallenden religiös geprägten Kleidungsstücke zu tragen, entspreche den Anforderungen des AGG. Vor dem Hintergrund der Vielzahl der Nationalitäten und Religionen, die es in der Stadt gebe, sei eine strikte Neutralität im Unterricht erforderlich. Eines Nachweises einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität bedürfe es nicht.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Dagegen hatte die Klägerin Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht gab ihr Recht und verurteilte das Land Berlin zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5.159,88 Euro. Das Land Berlin hatte hiergegen wiederum Revision beim BAG eingelegt.

Das BAG musste schließlich entscheiden. Es gab der Klägerin insoweit Recht, als sie von dem beklagten Land eine Entschädigungszahlung von 5.159,88 Euro verlangen konnte. Das BAG sah einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG als gegeben an. Dass die Klägerin im Anschluss an das Bewerbungsgespräch – angesprochen vom Mitarbeiter der Bewerbungsstelle auf die Rechtslage nach dem Neutralitätsgesetz – erklärt hatte, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen, begründet die Vermutung, dass sie wegen ihrer Religion benachteiligt wurde. Das Land hat eine solche Vermutung nicht widerlegt und auch eine Rechtfertigung nach dem AGG konnte das BAG nicht erkennen. Es verwies vielmehr auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Nach dessen Rechtsprechung führt eine Regelung – wie die konkrete Regelung des Neutralitätsgesetzes – die das Tragen eines sog. islamischen Kopftuches durch eine Lehrkraft ohne weiteres zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit, soweit das Tragen des Kopftuches nachvollziehbar auf ein verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund sei das Berliner Neutralitätsgesetz dahingehend auszulegen, dass das Verbot eines Tragens eines sog. islamischen Kopftuches nur im Falle einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Hierzu habe das Land Berlin jedoch nichts dargetan.

Wenn Sie als Arbeitnehmer Fragen rund um die Themen Diskriminierung und AGG haben, können Sie sich gerne an die Anwälte von anwalt-gegen-kündigung.de wenden. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht Seume in Hamburg steht Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Fachanwalt Arbeitsrecht Hamburg